Deutschland
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Ja, jede Partei wurde nur von einer Minderheit gewählt. Die Minderheit der AfD ist aber die größte.
Die "Übergabe der Macht" an die von den meisten Wählern gewählte Partei nennt man "Demokratie" und irgendwie las ich in den letzten Wochen recht oft, die müsste man "retten".
Ich halte von der AfD das Nötigste (d.h. nichts), aber es wird gern vergessen, dass der Ministerpräsident kein Gottkaiser ist. Ein Ministerpräsident Björn Höcke, der gegen eine deutliche Mehrheit ohne Koalitionspartner regieren muss, ist eine weniger große Gefahr für die Stabilität Thüringens als eine Holzhammerkoalition aus Parteien, die einander echt nicht leiden können; ebenso, damit das nicht falsch verstanden wird, eine Minderheitsregierung aus Parteien, die einander irgendwie mögen, notfalls auch ohne AfD. Medien spekulieren gerade über "CDU und Linke" - und das soll Stabilität bringen und nichts kaputtmachen?
Dies vorweggeschickt:
Die Justiz wird bereits jetzt wesentlich von den Parteien ernannt. Das hielt ich noch nie für eine gute Idee. Plötzlich fällt den Leuten auf, dass das ein Problem ist. Schwierig. :-)
Das entscheidet nicht die Regierung von Thüringen.
Und eine Koalition bringt trotzdem die Interessen von mehr Menschen in die Politik ein.
Wenn wir das "Retten" ernst gemeint hätten, dann gäbe es jetzt ein Afd-Verbotsverfahren, wenigstens gegen die offiziell als rechtsextrem anerkannten LVs. So ernst meinen wir es offensichtlich doch nicht.
Dass demokratische und zivilgesellschaftliche Strukturen bei der Afd in ganz schlechten Händen sind, ist dir hoffentlich bewusst.
Du willst also eine Afd-Minderheitsregierung, die entweder zeigt, dass:
(korrekterweise) auf alle anderen Parteien schieben wird.
Zudem geht das dann einher mit noch verstärkter Medienpräsenz von Höcke.
Schon richtig. Aber auch da ist es wie es anderswo ist, dass eine faschistische Partei mit mehr Macht ein geordnetes Arbeiten nicht wahrscheinlicher macht.
Gut, bleiben wir mal bei dem witzigen Szenario einer Koalition aus CDU, BSW und Linken: Drei Parteien, von denen der Wähler mehrheitlich nicht wollte, dass sie regieren, regieren voller inhaltlicher Widersprüche "mit"- und/oder gegeneinander. Wem ist damit dann eigentlich geholfen?
Also machen "wir" jetzt das Gegenteil und scheißen auf das Wählervotum. Der Wähler ist eh nur zu blöd für Demokratie. Schaffen wir doch Wahlen einfach ganz ab, dann ist das Problem mit der AfD auch gelöst. So etwa?
Zivilgesellschaftliche Strukturen haben in den Händen einer Partei nichts verloren. Fefe z.B. unkte ja schon vor Monaten: Die nächste faschistische Regierung wird den derzeitigen Regierungen sehr dankbar dafür sein, dass sie es ihr aus reiner Gier so leicht gemacht haben, die Gesellschaft komplett zu übernehmen; bzw.: gib deinem Freund nie die Mittel, von denen du nicht willst, dass dein Feind sie bekommt.
Ja nun.
Prämisse falsch: Ich will gar keine AfD-Regierung. Aber ich bin auch kein Thüringer Wähler, der nämlich anscheinend schon. Und das halte ich für ein nicht unwichtiges Kriterium bei der Frage, wer Thüringen regieren sollte, oder?
Ich finde dieses Brandmauergetue zumindest schwierig. Ich habe Verständnis dafür, dass man nicht mit der AfD zusammenarbeiten will, aber aus rein demokratischer Sicht ist das komplette Aussperren der - um das noch mal zu betonen - größten Wählergruppe aus dem eigenen politischen Treiben schwierig zu begründen.
Zumal es zu solchen lustigen Auswüchsen führt:
Dem ließe sich vorbeugen, indem man den Willen des Thüringer Souveräns respektiert. Welches Signal möchtest du denen, die bisher die AfD gewählt haben, denn senden? Denn momentan ist es das folgende:
Und - ist die Demokratie jetzt gerettet?
Ach je, so direkt sympathisch ist er nun nicht. Wobei: Die FAZ hatte letztens in der Sonntagsausgabe ein Porträt von Björn Höcke, in dem im Wesentlichen stand, dass er privat ein schüchterner Kuschelbär sei, aber das möchte er nicht öffentlich lesen. Das fand ich witzig.
Man hätte vorher was daran ändern können, aber da hatte man ja selber noch davon profitiert.
Aber die Justiz, wer auch immer sie besetzt hat, muss sich an geltendes Gesetz halten; und um das zu ändern, ist die AfD dann doch noch zu klein.
@tux0r
Also waren damals die Abgeordneten der DNVP die einzig wahren Demokraten der Weimarer Republik, als sie der stärksten Fraktion die Kanzlermehrheit verschafft haben? Sie haben schließlich als einzige Fraktion den Schneid gehabt den Wählerwillen zu respektieren?!
Oder ist Demokratie doch komplizierter?
Man kann und sollte die Weimarer Republik nicht mit der Bundesrepublik vergleichen. Das politische System ist doch ein sehr anderes, übrigens aus guten Gründen.
@tux0r
Ich vergleiche auch nicht das politische System von Weimar und der BRD. Ich vergleiche eine spezifische Situation: eine Fraktion hat eine klare Mehrheit, der "Wählerwille" sagt uns also diese Fraktion solle den Regierungschef stellen. Das zu verhindern nennst du bislang undemokratisch.
Ich formuliere meine Frage um: wäre es damals undemokratisch gewesen einen Reichskanzler Hitler zu verhindern, obwohl er die Wahl November 32 gewonnen hatte? Wenn nein, warum nicht?
Edit: im Übrigen kann und sollte man die beiden deutschen Demokratien immer und ständig vergleichen, gerade in Zeiten in denen Faschisten wieder Wahlsiege erringen.
Ja, ich bin der Ansicht, die Wähler in Thüringen würden sich von allen anderen Parteien nur noch verhöhnt fühlen, wenn der Kernpfeiler der Demokratie, nämlich, dass die Mehrheit der Wähler anstelle einer Parteienoligarchie den Ton angibt, missachtet wird.
Was, glaubst du, werden die Wähler dann nächstes Mal machen? Oder ist dir das egal, weil eh noch eine Weile hin?
@tux0r
Dann ist es Teil des demokratischen Prozesses, dass Demokratien sich hin und wieder selbst abschaffen und Platz für Barbarei machen, wenn die Mehrheit es so will (oder unter falschen Versprechungen Menschen an die Macht wählt, die es so wollen)? Das gegen den Mehrheitswillen zu verhindern ist undemokratisch?
Oder sollten Demokratien Schutzmechanismen mitbringen, die eine Abschaffung der Demokratie verhindern? Oder Schutzmechanismen, die die Abschaffung zivilisatorischer Errungenschaften wie Grundrechte oder Minderheitenschutz auch gegen den Mehrheitswillen verhindern?
Nun, ich sehe mich hier in einem argumentativen Zwiespalt. Einerseits finde ich eine AfD-Regierung vermutlich nicht allzu überragend, andererseits ist es meine feste Überzeugung als Demokrat, dass man die Demokratie nicht retten kann, indem man sie unterhöhlt. Das Wahlergebnis schmeckt vielen nicht, auch ich finde es ~~nicht überragend~~ unschön (und ich wohne nicht mal dort!), aber es zählt m.E. auch schon zur Abschaffung der Demokratie, sich als in der Wahl Unterlegene darüber hinwegzusetzen.
Man kann Demokratiefeindlichkeit nicht mit Demokratieüberwindung besiegen.
@tux0r
Darf man denn in deinem Demokratieverständnis Parteien, die bereits gewählt wurden, verbieten? Falls ja, macht es einen Unterschied, ob sie von vielen oder von wenigen Menschen gewählt wurden?
Nehmen wir an der diffuse Wählerwille aller Wähler, die nicht die AfD gewählt haben, wäre, dass die von ihnen gewählten Parteien niemals mit der AfD reden/Kompromisse schließen/interagieren sollen. Wäre es dann nicht auch undemokratisch, wenn diese Parteien dann doch mit der AfD interagieren, nur weil diese die meisten Stimmen erhalten hat? Sie würden dann ja den Willen ihrer Wähler missachten.
Ich halte Parteiverbote für albern, aber natürlich gelten demokratische Regeln auch für gewählte Parteien. Dabei ist es tatsächlich egal, wie viele tatsächliche Wähler sie haben.
Die Landtagswahlen - das stört mich übrigens auch an ihnen, jedes Mal, in jedem Land - fragen aber nicht "wer soll mit wem über eine Koalition reden?", sondern "wer soll regieren?".
@tux0r
In deiner Musterdemokratie, in der es alberne Parteienverbote nicht gibt, kann ich also mit einer Partei antreten, die alle Brillenträger einsperren will, und wenn ich die Mehrheit erhalte, dann sollte ich das so umsetzen können?
Darf denn eine Partei, die zwar die Mehrheit erhalten hat, aber gar nicht den Ministerpräsidenten stellen will, das so tun? Quasi als großer Juniorpartner in eine Koalition eintreten? Oder wäre das auch undemokratisch?
Wenn Landtagswahlen nur nach "wer soll regieren" fragen würden, dann würden wir aber den Regierungschef wie in einer Präsidialdemokratie einfach direkt wählen. Der Wahl-O-Mat hat ja mehr Themen als "wer soll regieren".
Natürlich kann man zu jeder Aussage ein möglichst provokantes Beispiel bringen, in dem diese Aussage vermeintlich pervertiert wird. Aber du blendest meinen zweiten Satzteil aus: "natürlich gelten demokratische Regeln auch für gewählte Parteien". Dabei möchte ich es bewenden lassen.
Ja.
Was wäre daran eigentlich so schlimm?
Der Wahl-O-Mat ist aber auch keine Wahlentscheidung - zum Glück. Dafür wäre er doch sehr unterkomplex. Der Wähler hat aber durchaus eine Möglichkeit, Koalitionen zu empfehlen - und der Wähler in Thüringen und Sachsen hat unmissverständlich mitgeteilt, dass er keine Regierung mit der Linken mehr haben möchte, und lieber eine mit der AfD. Siehst du das anders?
@tux0r
Ist ja nur ein plattes Beispiel mit den Brillenträgern. Könnte ja auch sein: würdest du eine Partei gewähren lassen, die die Abschaffung aller Wahlen fordert?
Wenn der Wahl-o-mat mit seinen Fragen unterkomplex ist, dann ist die Reduktion der Wahlentscheidung auf die Frage "wer soll regieren" aber noch viel unterkomplexer.
Ich fände es nicht so schlimm, wenn man das Regierungsoberhaupt direkt wählen würde, bringt halt andere Schwierigkeiten mit sich, die man umgehen wollte.
Ja, viele Menschen in Thüringen und Sachsen wollen eine Regierung mit AfD Beteiligung. Aber ich halte es eben nicht für undemokratisch, wenn diese Partei dann aufgrund ihres Wertefundaments keine Mehrheit bekommt, weil eben keiner mit dem Kind im Sandkasten spielen will, das andere nur mit der Sandschaufel bedroht und prügelt.
Darüberhinaus ist eine Minderheitsregierung als nächste Option deswegen gefährlich, weil die Regierung, auch wenn sie keine Gesetze verabschieden kann, natürlich Macht ausübt. Sie kontrolliert Polizei und Staatsanwaltschaften, sie kann Verordnungen ändern und erlassen etc. Die AfD ist hier halt ein Sonderfall, weil sie eben (insbesondere in den betrachteten Bundesländern) auf eine Unterminierung und Abschaffung der FDGO hinarbeitet. Natürlich hätte ich mir einen cleaneren Weg gewünscht, dass die vorgesehen Schutzmechanismen wie eben ein Parteienverbot schon eingesetzt worden wären, aber wenn das nicht klappt nehme ich den nächstbesseren Weg, nämlich dass die Parteien, die ein Wertefundament teilen, eine AfD Regierung verhindern.
Wenn du meinst, dass der Wählerwille eine Regierungsbeteiligung der Linken ausschließt, wäre es deiner Meinung nach undemokratisch, wenn die AfD mit der Linken koaliert?
Aber du argumentierst doch für irgendwas, oder? Was genau ist das?
Ich mache mal meine Prämisse transparent: Mir ist es nicht so wichtig, dass wir jetzt das demokratischst-mögliche Protokoll gegenüber der Afd einhalten (oder auch noch Mutmaßungen zum gemeinschaftlichen Wählyswillen machen), um dann zu ermöglichen, dass Höcke sich für 250 Jahre auf den MP-Thron nagelt und das Großthüringsche Reich von den Ardennen bis zum Ural ausruft. (Wenn du eine Übertreibung findest, darfst du sie behalten. Dient nur der Veranschaulichung, dass hier was auf dem Spiel steht.)
Alles, was nicht gesetzlich eindeutig pro Afd geregelt ist, ist bitte von jeder ansatzweise verantwortungsbewussten kraft gegen die Afd auszulegen. Wenn denen nach einer ungeschriebenen Proporzregel drei Bundesverdienstkreuze und ein Alterspräsidentyposten zusteht, dann kann ich gut damit leben, wenn die das nicht bekommen.