this post was submitted on 28 Sep 2023
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Ernstgemeinte Frage: Warum nehmen Privatpatienten gesetzlich Versicherten die Termine weg? Wenn jemand krank ist, kriegt er einen Termin, dabei ist doch egal ob privat oder gesetzlich. Oder meinst du das Freihalten, damit Privatpatienten nicht 3-18 Monate auf einen Termin warten müssen?
"Hi ich habe seit Tagen Symptome XYZ, könnte ich einen Termin bei ihnen bekommen?"
"Waren sie schon mal hier?"
"Nein, war ich nicht."
"Sorry wir nehmen zur Zeit keine Neukund- äh Patienten auf."
"Ich bin übrigens privatversichert."
"Passts ihnen in ner halben Stunde?"
Das hat aber nichts damit zu tun, das er keine Zeit für Kassenpatienten hat, sondern dass sowohl er als auch die Kassenärztliche Vereinigung ein Budget haben. Ist dieses Budget aufgebraucht arbeitet er für lau. Privatpatienten laufen nicht über das Budget und er kann mehr und stressloser abrechnen, daher werden Privatpatienten immer genommen.
Daher private Krankenversicherung abschaffen ganz einfach
denke ich nicht. dann arbeitet dein hausarzt grundsätzlich umsonst, wenn das budget der kasse zuende ist? ich denke der deckel muss weg 🤷
Genau, Problem ist das gedeckelte Budget pro Quartal. Bei den Kinderärzten wurde diese Deckelung dieses Jahr aufgehoben. Die Hausärzte werden wohl bald folgen. Leistungen bei Privatpatienten sind nicht gedeckelt und deshalb sehr beliebt.
Spannend, bin zwar selber gesetzlich versichert, tu aber bei neuen Ärzten immer so als wär ich privat und werd dann trotzdem nicht genommen, weil voll. Und das im versnobbten München.
Das Vorurteil kenn ich, hab's nur selber noch nie erlebt.
Hab einmal noch kurzfristig am 23.12 nach Praxisschluss einen Termin bekommen nachdem ich gesagt habe ich bin Privatpatient... Leider ist das kein vorurteil
Meine Lebenspartnerin hat vor einiger Zeit ihren Privatversichertenstatus (war darüber familienversichert) verloren und ist zu einer gesetzlichen gegangen. Da war sie später für Routineuntersuchung vor Ort bei einem Arzt, zog die neue Karte raus und es hieß: "Oh, sie sind nicht mehr privat versichert? Dann können wir sie eigentlich nicht mehr behandeln." Und sie ging ohne Untersuchung wieder heim.
Edit: Da anekdotische Beweise immer schwierig sind, schauen wir doch mal diese Studie vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen an: https://www.leibniz-gemeinschaft.de//ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/fachaerzte-bevorzugen-privatpatienten/
Einfach 116117 vorwählen.
Ja, einfach 116117 anrufen und mir den Unterschied zwischen KBV und KZV erklären lassen.
Ich hatte noch nie Terminprobleme für 100, bitte.
Ernst gemeinte Antwort als selbst tätiger Arzt: Privatpatienten nehmen die Plätze nicht weg, sie werden aber früher behandelt weil die Bezahlung zwischen 2,3 und 5 fach besser. Ist bei gleichem Aufwand. Solange unser Gesundheitssystem kaputt gespart wird und Kassensitze einfach geschlossen, ist die Debatte augenwischerei. Wenn ich eine Praxis habe und meine Leistung bei der GKV nicht bezahlt kriege nehme ich halt lieber PKV. Wenn bedarf ist kann ich das Problem gern mal ausführlich aufdröseln.
Am Ende: Fotzenfritz ist ein spacko der die gkv noch weiter aufreiben will. Aber auf die PKV hetzen bringt nix, das ist systembedingt
Danke für die ehrliche Antwort. Ist das u.a. wegen diesen Kontingenten? Hatte vor Ewigkeiten mal gelesen, dass Hausärzte nur X Behandlungen von den Kassen bezahlt bekommen und wenn die nach 2 von 3 Monaten pro Quartal aufgebraucht sind, ist jede GKV Behandlung danach ohne Bezahlung? Trifft das auch Fachärzte? Das die Vergütung wesentlich höher ist, war mir bekannt. Hatte mal das Gerücht gehört, dass man als Arzt kaum über die Runden kommt, wenn man keine BG Fälle, Bundeswehrversicherte und Privatpatienten hat. Also kurz, nur mit GKV Bezahlung arbeitet man als Arzt für die Tonne?
Also, ich weiß bei uns im Gesundheitssystem ist viel kaputt, aber das Thema interessiert mich echt und Google ist nicht immer hilfreich.
Du hast es eigentlich schon richtig erfasst. Mit Kassensitz kriegen die Kollegen ein bestimmtes Budget pro Patient und Quartal, Patienten zählen nur wenn sie da waren, bsp.: du kommst mit ner Grippe einmal, omi Hilde kommt 20 mal. Geld das du kriegst ist bei beiden Patienten gleich. Zusätzlich gibt es ein Budget für Medikamente. Junge Patienten stressen das Budget nicht, aber wenn die älteren Patienten überwiegen überzieht man das Budget schnell, man kann sogar persönlich in Regress genommen werden. Ich sehe das z.B. bei den älteren Patienten bei uns, die kriegen dann nur alte, billige Medikamente, die zwar funktionieren aber nicht so nebenwirkungsarm wie moderne Medikamente sind. Die sind aber zu teuer. Gutes Beispiel ist Phenprocuomon (Marcumar, Falithrom) bei vorhofflimmern. Schwer einzustellen, dauernd Kontrollen notwendig, aber billiger als Apixaban o.ä..
Kommt jetzt ein Privatpatient stelle ich ihm für jeden Besuch eine Rechnung. Er ruft an… 10€ telefonische Beratungsgespräche. Er kriegt ne AU 10€ beratungsgebühr plus sonst noch Zeug. Ultraschall? Gern mal nen Hunni statt aufs Haus. Bei meinem Hausarzt, Kommilitone und guter Freund von mir, machen die knapp 10% privaten um die 60% seines Umsatzes aus. Er könnte die Praxis sonst nicht halten.
Wir brauchen dringend eine Reform, unser Gesundheitssystem krächzt aus dem letzten Loch und ich kann jeden Arzt verstehen der keinen Bock auf Praxis hat.
Und bevor da gleich kommt, die haben doch trotzdem genug Geld für nen Audi, die sind alle selbstständig, tragen ein hohes Risiko und arbeiten 70-80h pro Woche. Nach 12 Jahren Facharztausbildung.
Holla, aber dann versteh ich es wesentlich besser. Dann musst du ja fast schon Lücken für die PKV Menschen offen lassen, damit Omi Hilde überhaupt noch untersucht und nicht weggeschickt wird. Aber dann würde es das System erstmal nur verschlechtern wenn man die PKV aufhebt und alle in die GKV schiebt, wenn es weiterhin so Regeln und Kontingente gibt? Ein Scheiß...
Das Argument mit "aber die haben doch genug Kohle" ist eins das ich noch nie verstanden hab. A) wie du sagst, lange Ausbildung und bis auf wenige Fachrichtungen immer noch weniger Gehalt als z.b. Anwalt in ner großen Kanzlei, aber ähnliche Arbeitszeiten und Stress. Und ich denke jetzt mal, dass 3-5k mehr oder weniger Gehalt beim Arzt (pro Monat) eh nicht viel ausmacht, bei den sonstigen Kosten einer Praxis wie Gehälter, Miete, Energie, Wartung der Geräte (und das was du sagst von Untersuchungen die dann unbezahlt laufen mal noch gar nicht drin).
Gab es eine GOÄ-Reform? Oder ist der EBM entwertet worden? Als ich vor 10 Jahren aufgehört habe, war die GOÄ immer noch auf dem Preisniveau von 1988, was damals vom EBM schon lange eingeholt war.
Der Unterschied war, dass Privatpatienten nicht budgetiert waren.
Genau richtig. Bei mir zahlt die PKV teilweise sogar bis 5-fachen Satz. Und die Budgetierung ist für die Landärzte noch am asozialsten. Ich werd die Klinik nie verlassen bei den Voraussetzungen
5 fach ?!
d.h. unser bisheriges 8-Klassensystem (Asylbewerber, Sozialhilfeempfänger, GKV-Patienten, HZV-Patienten, BVG-Versorgungsempfänger, Beihilfeempfänger, Freie Heifürsorge, PKV-Patienten) wird zum 9-Klassensystem mit PKV Classic und PKV Plus ausgebaut? (Selbstzahler mal außen vorgelassen, die sind immer eine Klasse für sich)
Als ich noch niedergelassen war, hatte ich immer von einer 2-Klassenmedizin geträumt. Wäre so viel einfacher gewesen.
Ne, tatsächlich hat die PKV teilweise aufgestockt auf 5-fach GOÄ statt 3,5. weiß nicht ob das alle Kassen machen, aber ja, es wird noch komplexer. Und ich sehe auch irgendwie keinen Ausweg. Umstellung auf Österreicher System oder Entdecklung der GKV Beiträge. Aber damit schröpfen wir die sterbende Mittelschicht nur noch mehr
Na ja – nachdem wir immer noch GOÄ 1996, die nur eine Umstrukturierung von GOÄ 1988 und keine echte Honorarerhöhung war, ist das wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, um gegenüber der GKV konkurrenzfähig zu bleiben.
Wie heißt das jetzt nicht dass Privatpatienten Kassenpatienten die Termine wegnehmen? Es gibt deutlich mehr Kassenpatienten. Wenn Privatpatienten bevorzugt dran genommen werden und manche Praxen sogar komplett auf Privat umstellen, dann müssen Kassenpatienten länger warten oder stundenlang ins nächste Kaff fahren um irgendwo einen Termin zu finden.
Am schlimmsten ist das bei der Psychotherapie. Als Kassenpatient wird man teilweise nicht einmal mehr auf Wartelisten aufgenommen.
Das heißt, dass die Privaten nicht ursächlich sind, sondern die abysmale Bezahlung durch die Krankenkassen. Zusätzlich wartest du häufig lange, weil nicht genug Ärzte vor Ort sind, das liegt daran, dass die Kassen keine Kassensitze verteilen oder sogar schließen. Bashing auf die kleine Patientengruppe, die unser halbes Gesundheitssystem querfinanziert bringt nix.
Bei der Psychotherapie sieht das übrigens genauso aus. Kasse gibt keine Sitze raus, also weniger Therapeuten, also keine behandlungsplätze.
Personen mit gutem Einkommen die in die privaten Krankenkassen wechseln um weniger bezahlen zu müssen fehlen bei der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenkasses.
Das stimmt nur teilweise. Die Kassenbeiträge sind gedeckelt, entsprechend geht nicht soviel Geld flöten wie man denkt. Dafür müssten die Beiträge Entdeckelt werden. Insgesamt machen PKV Patienten (stand 2020) 10% der Versicherten aus. Die würden auch nicht alle maximal Beitrag zahlen, sind ja alle Selbstständigen dabei, auch der Klempner mit 2,5 netto. Wäre mehr Geld in der Kasse? Ja, aber nichtmal 10% das Budgets. Könnten wir mehr bezahlen? Nicht wirklich. Ich verstehe alle, die mit unser GKV unzufrieden sind. Das liegt aber an primär an der kompletten Unterfinanzierung und nicht daran, dass ein paar Leute PKV sind.
Mal ein Rechenbeispiel:
Ich zahle in der PKV 400€ im Monat statt 728€. Macht eine Differenz von 328€. 73 Millionen GKV Patienten in DE, davon zahlen nur 57 Millionen. Durchschnittlicher GKV Beitrag bei 14,6% und 4000€ Durchschnittsbrutto macht rund 600€ pro einzahler. Also monatlich pi mal Daumen am Handy: 43.8milliarden€ monatlich 7 Millionen PKV Patienten bei maximalsatz dazu: 4,9 Milliarden extra. Das wird aber weniger sein da nicht alle in der PKV maximalsatz zahlen würden, also eher mal 3 Milliarden extra.
Gesamtausgaben für Gesundheit in De laut destatis 2022: 500 Milliarden Euro. Wir haben ein verteilungsproblem, kein einzahlungsproblem
So geht die Rechnung aber nicht auf. Denn in den 500 Milliarden ist der Großteil dessen drin, was Privatversicherte ebenfalls benutzen. Es ist ja nicht so, als würden Privatzahler nur das benutzen was auch privat finanziert wurde.
Dazu kommen extra Anschaffungen speziell für Privatversicherte (zusätzliche Verwaltung, reine Privatpraxen, teilweise eigene Wartezimmer, etc.). Dann noch die fehlenden Beiträge. Selbst wenn es "nur" 3 Milliarden sind neigen viele Privatversicherte dazu dann den Basissatz zu bezahlen oder sogar wieder in die gesetzliche zurück zu wechseln wenn sie plötzlich schwer krank werden, in Rente gehen oder aus anderen Gründen das große Gehalt wegfällt.
Natürlich würde man außerdem die Deckelung für gesetzliche Krankenkassen erst entfernen können, wenn Gutverdiener nicht mehr in die privaten flüchten können.
Die 500 Milliarden sind die Ausgaben der GKV, über die Ausgaben der PKV konnte ich jetzt keine Daten finden. Abgesehen davon fließen die Gelder durch die PKV Behandlungen ja genau so in die Infrastruktur wie sonst die GKV Beiträge. Und wie bereits mehrfach andernorts erörtert können sich viele Praxen nur durch privatpatienten halten. Unser Gesundheitssystem ist durch viele Faktoren zu teuer, fehlende Zentrumsbildung z.B. . Die PKV ist ein Symptom, nicht die Ursache für unsere maroden Strukturen. Wenn man sie abschafft ohne große querfinanzierung landen wir bei britischen Verhältnissen wo alles zu einer Privatleistung wird.
Was Rückwechsel angeht, das wird immer gerne gesagt, ist aber alles andere als trivial. Laut Statista nimmt die Zahl der PKV Patienten eher zu, als dass Leute zurück wechseln.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38511/umfrage/wechsel-zwischen-privater-und-gesetzlicher-krankenversicherung/#:~:text=Im%20Jahr%202021*%20konnten%20gemäß,Abgänge%20zur%20GKV%20verzeichnet%20werden.