this post was submitted on 29 Jul 2023
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[–] [email protected] 7 points 1 year ago (2 children)

Deswegen sind Ausgleichsbemühungen, hier CO2 Kompensationen durch Aufforstung, im großen und ganzen Augenwischerei. Niemand kann euch garantieren, dass wenn ihr heute auf einem Grundstück Bäume pflanzen lasst, dass sie nicht jemand im Jahr 2123 einfach wieder abholzt. ¿Glaubt ihr die Roder werden sagen: "Aber vor 100 Jahren war da mal jemand der jetzt lange tot ist damit die Flugreise kompensiert hat, dann wollen wir es eben doch lieber sein lassen."? Wohl kaum.

Mit jeder Flugreise, jedem versandtem Paket die so kompensiert werden wird ein Teil der Erdoberfläche für die nächsten Jahrhunderte "reserviert" und darf nicht mehr anderweitig genutzt werden. Neben der Unabsicherbarkeit dieses Versprechens sollte aber auch klar werden, dass dieser Ansatz sowieso nur begrenzt funktioniert, denn die Oberfläche der Erde wächst nicht mit unserem Konsum. Im Gegenteil die nutzbaren Flächen stehen schon heute unter hohem Ressourcendruck durch konkurrierende Landnutzungsformen und in der Zukunft wird das prinzipiell nicht besser sondern schlimmer.

Mehr noch: solche Bestrebungen schadhafte Prozesse zu kompensieren lenken von dem ab was wir wirklich dringend brauchen: Produktions- und Konsumweisen, die den Schaden erst gar nicht erzeugen. Sie sind eine Art Beschwichtigung die sagt: weiter so bisher, aber mit kleinem Obolus für das Gewissen; grundsätzliche Veränderungen sind nicht notwendig.

Wald bindet und speichert CO2 demgegenüber nur vorübergehend. Wenn ein Baum gefällt wird und vermodert oder auch abbrennt, setzt er das gespeicherte Treibhausgas wieder frei. Erreicht wird durch – erfolgreiche, korrekt aufgesetzte – Waldschutzprojekte sicherlich, dass mehr Wald für längere Zeiträume erhalten wird, wodurch in den entsprechenden Zeiträumen die CO2-Speicherkapazität des geschützten Waldes höher ist als im hypothetischen Szenario ohne das Projekt. Dies ist allerdings ein völlig anderer Effekt als der, den der Verbraucher aufgrund des Klimaneutral-Claims erwartet. Die produktbedingten, anthropogenen, zusätzlichen CO2-Emissionen sind hunderte oder tausende Jahre nachweisbar, gebunden und gespeichert wird die entsprechende Menge an CO2 durch das konkrete Waldschutzprojekt nur für Jahrzehnte. Danach ist die vorübergehend ausgeglichene CO2-Bilanz des Produkts wieder unausgeglichen. Um sie dauerhaft auszugleichen, müssten kontinuierlich – auch in 100 oder 1000 Jahren – weitere entsprechende Waldschutzbemühungen unternommen werden

[–] [email protected] 6 points 1 year ago

Das Problem ist nicht das abholzen, sondern die Klimakrise: es ist einfach nicht sicher, ob diese Wälder den neuen Bedingungen gewachsen sind oder durch Waldbrände zerstört werden. Solche positiven Rückkopplungseffekte oder Kipppunkte, wenn's blöd läuft und ganz schnell geht, werden uns leider zunehmend beschäftigen.

[–] [email protected] 2 points 1 year ago (1 children)

Deswegen sind Ausgleichsbemühungen, hier CO2 Kompensationen durch Aufforstung, im großen und ganzen Augenwischerei.

Was hältst du von baumlosen Ansätzen wie z.B. Climeworks' Orca in Island? https://climeworks.com/actnow

  1. CO2 aus Luft filtern
  2. Mit Wasser in geeignete unterirdische Gesteinsschichten pumpen
  3. Dort reagiert das CO2 chemisch mit dem Gestein und mineralisiert

Vorteile:

  • CO2 wird sofort entfernt, nicht erst über einen Zeitraum in der Zukunft
    • Dadurch tritt der Effekt früher ein, was wichtig ist
    • Dadurch kann nichts dazwischen kommen (z.B. Dürre, Waldbrand, Bauprojekt)
  • Durch die unterirdische Lagerung und die permanente Bindung kann das CO2 nicht versehentlich wieder frei gesetzt werden
[–] [email protected] 4 points 1 year ago (1 children)

Ohne jetzt die genauen Prozesseffizenz zu kennen sieht das sehr energieaufwendig aus. Die Lüfter, Erhitzer und Pumpen müssten ja komplett mit erneuerbaren Energien betrieben werden -- sonst dreht man sich nur im Kreis. Und wir sind bei weitem noch nicht so weit, dass wir den gesamten Primärenergiebedarf erneuerbar decken können. Auf die schnelle kann ich auch nicht beurteilen wie viel geeignetes geologisches Substrat es dafür gibt und wie weit sich das skalieren lassen würde. Wird das CO2 wirklich inert in der Tiefe gebunden ist es auf jeden Fall besser in dieser Hinsicht als die organische Einlagerung in Bäumen.

Vom Prinzip her bleibt aber das Problem bestehen: das ist auch nur eine "end of pipe" bzw aftereffect Technologie. Sie sollte nicht als bequeme Rechtfertigung genutzt werden bestehende Konsummuster und Produktionsmethoden umzugestalten. Euro für Euro werden Investitionen in den öffentlichen Verkehr oder energetische Gebäudesanierung sich viel mehr lohnen als im Nachhinein CO2 aus der Luft zu filtern.

Vielleicht kann es sehr langfristig eine Lösung sein Fluktuationsüberschüsse an erneuerbarer Energie sinnvoll einzusetzen anstatt sie verpuffen zu lassen (angenommen es gibt auch in Zukunft keine großartigen Speicherkapazitäten).

[–] [email protected] 1 points 1 year ago (1 children)

Ja, alles richtig. Die Anlage steht in Island, wo (angeblich) mehr als genug erneuerbare Energie verfügbar ist. Das Gestein ist anscheinend geeignet. Man kann ja über dieses eine Projekt reden, ohne den Anspruch zu haben, das müsse überall und im gleichen Umfang wie Emissionen passieren.

Auch dass es kein Ersatz für Vermeidung ist, sagen sie auf ihrer Homepage. Vermeidung ist definitiv günstiger und unproblematischer.

Dennoch finde ich das konkrete Projekt ein gutes Gegenbeispiel für "Kompensierung schlecht". Auf die Umsetzung kommt es an.

[–] [email protected] 2 points 1 year ago

Ja, Kompensierung ist nicht an sich schlecht. Ist halt eines der vielen Werkzeugen aus dem Kasten. Sie soll halt nur nicht als Allheillmittel gesehen werden. Gerade CO2 Kompensationen sind ja da sehr in den Unruf gekommen in Verbindung mit Greenwashing (der Gerichtsfall aus diesem Post ist ein typischer Fall).

Was an sich auch eine gute Sache ist, ist Technologietransfer als Kompensationsleistung. Also zB eine deutsche Firma berechnet die Menge an Geld um ihr Kraftwerk von 40% auf 41% Effizienz zu steigern. Das Geld wird dann aber in ein Kraftwerk in Bangladesh gesteckt um dort den Wirkungsgrad von 33% auf 37% zu erhöhen, was ungemein viel mehr Emissionen einspart. "an sich" weil auch das natürlich missbraucht wird, zB in dem man sich Techniktransfer als Kompensation anrechnen lässt, die ohnehin passiert wären und so dann im eigenen Land untätig sein kann.