this post was submitted on 18 Nov 2024
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Unverständnis über das Urteil ist das eine.
Pauschalurteile, die du in die andere Richtung auch nicht haben möchtest, das andere.
Wieviele Einzelfälle in Polizei, Staatsanwaltschaft, Verfassungsschutz und Gerichten braucht es noch, bis strukturelle Probleme als solche anerkannt werden?
Klar, wäre das jetzt der einzige Fall im letzten Jahrzehnt, würde ich deine Ansicht teilen. Aber es ist ein weiterer Fall auf einem Haufen von Fällen, der inzwischen so groß ist, dass er den Kölner Dom verschatten könnte, wenn man ihn daneben stellt.
Ich habe es in einem anderen Kommentar schon geschrieben: die Richter sagten, dass Fremdenhass als Motiv für diese Tat nicht hinreichend bewiesen werden konnte. Wie juristisch stichhaltig das ist, kann ich nicht beurteilen, du?
Insofern weiß ich auch nicht, inwiefern man dieses Urteil als einen "Beleg" für irgendetwas pauschales hernehmen kann. Also jenseits des Bauchgefühls.
Genauso, wie ich nicht denke, dass man Messerangriffe einzelner Flüchtlinge für den "Beleg" für irgendetwas pauschales hernehmen kann. Trotzdem hörst du viel Gekrähe von Rechts, die fragen, wie viele Einzelfälle es denn noch braucht, bis strukturelle Probleme als solche anerkannt werden. Ich jedenfalls möchte mich in den Argumentationsmustern dieser Leute nicht wiederfinden.
Der Mann ist erwiesen rechtsextrem, hat eine Preppermenge an legalen Waffen und zusätzlich mindestens eine illegale Waffe. Er geht zu jemandes Wohnung und tötet ihn. Anschließend zerlegt er die Leiche und schmeißt sie in einen Fluss.
Hier einen Deal für ein mildes Urteil zu machen, kann ich mir nur damit erklären, dass Richter und Staatsanwalt mindestens Sympathie für seine politische Einstellung hegen. Der Deal war offensichtlich unnötig, das Richter und Staatsanwaltschaft selbst sagten, dass die Behauptung wenig glaubwürdig ist. Entsprechend kann man das bei der Beweiswürdigung auch berücksichtigen. Ansonsten fällt auf, dass das Urteil auch für "nur Totschlag" ausgesprochen mild ist. Mindeststrafmaß sind 5 Jahre. Da er behauptet Stunden nach einem Streit zu der Wohnung gegangen zu sein, kann hier auch nicht von einer Tat im Affekt gesprochen werden. Wie das Gericht selber sagte, käme auch Mord in Frage.
Das erinnert sehr stark an den Typen, der einen Tankstellenwärter ermordet hat, weil der ihn gebeten hat, eine Maske zu tragen, während das Coronavorschrift war.
Also völlig unabhängig davon, ob die erwiesene rechtsextreme Einstellung des Täters, der seine Tat im Anschluss ja sogar noch glorifiziert hat, hier als Tatmerkmal bewiesen werden kann, ist das Urteil auch für "Stunden nach einem Streit die Wohnung suchen, das Opfer mit einer illegalen Schusswaffe erschießen, Leiche zerstückeln und in den Fluss werfen" auffällig niedrig.
Aber ganz falsch ist das nicht. Ich stamme aus einer Region, in der Entnazifizierung bedeutete "Wir vergraben unsere Gewehre und verstecken die Nazi-Uniformen im Schrank". Kein Wunder, dass wir heute da sind, wo wir sind.
Völlig richtig. Aber trotzdem würde ich diese Richter erst mal nicht mit Altnazis vor einem Dreivierteljahrhundert in einen Topf werfen wollen.
Ich denke, wir leben auch deshalb in diesen beschissenen politischen Zeiten, weil die Leute nur noch nach Bauchgefühl, den einfachen Weg gehen wollen. So landet man sehr schnell bei einem kruden Schwarz-Weiß-Weltbild.
Natürlich ist es ein Urteil, das spontan Unverständnis hervorruft. Ich kann ehrlich gesagt aber nicht beurteilen, ob das jetzt ein "Sympathie-Urteil" war, denke aber auch, dass das letztlich keiner von uns nichtbeteiligten Laien kann. Die Aussage der Richter war ja lediglich, dass sich Fremdenhass als Motiv für die Tat nicht hinlänglich beweisen ließ.
Wie möchte ich jetzt mit so einer herausfordernden Nachricht umgehen? Greife ich reflexhaft auf pauschalisierende Vorurteile zurück? Was unterscheidet mich dann vom dumpfen Stammtisch, der Messerangriffe einzelner Flüchtlinge auf ganze Regionen hochpauschalisiert?
Das Problem ist doch, dass es ständig vorkommt, dass Gerichte nicht klar sagen können, in es nun rassistisch oder rechtsextrem motivierte Taten sind, obwohl die Täter:innen in der Regel sehr klar als rechtsextrem zu erkennen sind und dies meist auch nicht verheimlichen. Dahinter steckt also ein strukturelles Problem. Du argumentierst hier so, als ob das ein Einzelfall wäre und man das nur nicht genau sagen könne. Aber genauso passiert es eben, dass der NSU nicht ernstgenommen wird, viele hunderte rechtsextreme Menschen mit Haftbefehl gesucht frei rumlaufen können und selbst bei krassen rassistischen Gewalttaten das ganze als uneindeutig abgetan wird. Deswegen hat die andere Person hier die Entnazifizierung hervorgeholt. Nicht, weil nich Altnazis in den Gerichten sitzen, sondern weil unser Rechtsstaat noch immer strukturell sehr stark vom Nationalsozialismus geprägt ist und dieser nie vernünftig aufgearbeitet wurde.
Ja, natürlich hast du recht damit. Am besten wäre es, wenn sich alle Gemüter abkühlen und die Sachlichkeit zurückkehren würde. Aber die vermisst man leider überall, Gesellschaft wie Politik.
Ich wollte das eigentlich auch gar nicht bekräftigen, aber es muss einfach stimmen, dass in hohen Ämtern einflussreiche Personen Nazischeiße machen. Wir haben quasi über 70 Jahre Beweise dafür und deshalb muss man leider immer solche Motive zumindest als Einfluss, nicht als alleiniger Hauptgrund, mit annehmen. Meine Aussage sollte nur klarstellen, dass Entnazifizierung aus meiner Sicht ein ähnlich effektives Wortgebilde darstellt wie (hoffentlich bald nicht mehr) Klimaschutz.