this post was submitted on 26 Feb 2024
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Deutschland
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Ob man in Klingbeils “Der Staat muss funktionieren, wenn es darum geht, Menschen, die nicht bei uns bleiben können, zurückzuführen.” jetzt gleich das AfD-Narrativ eines dysfunktionalen Staates sehen muss, weiß ich nicht. Es geht doch eher darum, nüchtern Dinge ansprechen zu können, die momentan eben nicht so funktionieren wie sie sollten. Auch in so einem hochemotionalisierten Thema wie Asyl. Und ich sehe auch nicht, dass so etwas faschistisches sagbarer macht. Es ist ja nicht "radikaler" von der SPD, den Wunsch zu äußern, dass de jure und de facto wieder näher aneinander geführt werden.
Umgekehrt finde ich, dass Populisten wie in der AfD ihre vergiftenden Narrative oft auf ein kleines Stück Restwahrheit aufbauen. Gerade deshalb sollten normale Parteien ihnen nicht den Raum überlassen und beispielsweise Schwächen in unserem Asylsystem auch dann benennen, wenn es nicht um "hunderttausende Abschiebe-Ausländer" geht, die "endlich nur mal einer aus dem Land schmeißen".
Asyl und insbesondere Abschiebungen sind ein komplexeres Thema als es sich Boulevard und Stammtisch vorstellen mögen und ich bin auch ganz bei dir, dass das jetzt wahrscheinlich eher nicht das allergrößte Problem ist, das unser Land momentan hat. Und doch ist es sowohl besser für die gesellschaftliche Akzeptanz dieses Systems als auch fairer für die Betroffenen, für die dieses System existiert, dass der Staat hier hohe Ansprüche an sich stellt.
..was aber eher daran liegt, dass mit ein paar "billigen" Maßnahmen aus der Hauruck-Kiste keine wirklichen Veränderungen herbeigeführt werden können als dass es keine Kandidaten mehr gäbe, die eigentlich ausreisen müssten.
Diesen Wunsch zu äußern impliziert, dass de Jure und de Facto weit genug auseinanderliegen, dass man diesen Wunsch so stark spürt, dass man ihn auf einer Pressekonferenz als Leitthema erwähnen muss. Dazu fehlt mMn die faktische Grundlage. Das Gefühl, dass der Abstand existiert wird insbesondere von der AfD genutzt. Aufgabe der SPD wäre die Faktenlage stärker ins Lampenlicht zu rücken um diesem Gefühl etwas entgegen zu setzen.
Den Staat als dysfuntkional zu framen finde ich ziemlich weit davon entfernt Schwächen im Asylsystem zu benennen.
Eine andere Vorgehensweise steht aber nicht im Raum, von keiner Seite (korrigier mich gerne wenn das falsch ist). Will man alle "Kandidaten" ausfindig machen müssen die Rechte der Kandidaten (UND derjenigen die mal zu solchen "Kandidaten" werden könnten, z.B. auf Zeit geduldete) massiv bzw noch massiver eingeschränkt werden. Und das alles um irgendwas in der Größenordnung von 50.000 Menschen aus dem Land zu werfen. Gegenüber 300.000 Geduldeten. Selbst mit einer 100% "Erfolgs"quote würde sich die Menge Menschen die wir beherbergen nur um 1/6 verkleinern. Das ist nicht nichts aber es rechtfertigt mMn in keiner Weise die Einschnitte die wir vorgenommen haben und auf gar keinen Fall noch weitere.
Das ist auch ein Gefühl, was du im "Bauch der Gesellschaft" oft wiederfindest. Wie vorhin gesagt: die AfD kann ganz gut auf diese kleinen Fragmente der Empfindungen aufbauen, um dort ihre Narrative einzunisten. Klingbeil ändert ja aufgrund dessen nicht fundamental seine Meinung, sondern wiederholt lediglich den längst existenten Anspruch, den dieses System bereits heute umfasst. Ob jetzt de jure und de facto weit genug auseinanderliegen, um diese Prominenz zu rechtfertigen, darüber kann man im Zweifel ewig streiten, da es rein subjektiv ist. Aus meinem eigenen erweiterten Umfeld kann ich aber sehen, dass es Leute gibt, für die das ein Thema ist und der Zulauf der AfD stimmt mich da auch eher vorsichtig.
Ja das sage ich ja.
Auch da kann man ewig streiten, da subjektiv. Das Gefühl, 50.000 Leute zu Unrecht und (entschuldige bitte, aber das ist echt immer das Wort, was mir aus diesen Kreisen diesbezüglich um die Ohren geworfen wird) unkontrolliert im Land zu haben, kann genug sein, um die Meinung im Volk diesbezüglich zum Kippen zu bringen. Um dieses Thema gesellschaftlich zu befrieden, brauchen wir eine breite Auseinandersetzung in dieser Gesellschaft, in der klar definiert und abgenickt wird, was für ein System mit welcher Schärfe wir uns vorstellen.
Die AfD war eigentlich schon wieder am verschwinden, da kam 2015 die "FlÜcHtLinGsKrISe!" Erinnerst du dich, wie unser Land gerade so dem Abgrund entkommen ist angesichts dieser unglaublichen Invasion? Ja, ich auch nicht. Ich fand Merkels Ansatz damals grundsätzlich richtig, aber er war scheiße (nämlich eigentlich gar nicht) kommuniziert. Und so hat diese gefühlte Katastrophe trotzdem real dazu geführt, dass wir heute eine fest verankerte Partei voller Faschisten und anderem **** haben, die das Brecheisen an unser Land/System/Gesellschaft legen wollen. Weil "wir" letztendlich ein bisschen zu sehr das emotionale vernachlässigt haben und zu sehr auf ratio gesetzt haben.
Aber genau das ist es doch. Durch die ständige Thematisierung des Flüchtlingsthemas in der Öffentlichkeit von mehr als nur der AFD ist das überhaupt so "oft im Bauch der Gesellschaft". Klar die AFD und irgendwelche Rassisten wirst du nie davon abhalten können gegen Flüchtlinge zu hetzen, aber deswegen müssen ja nicht die anderen Parteien mit dem level an öffentlicher Aufmerksamkeit auf den Zug aufspringen. Und das ganze dann entgegen der Faktenlage als eines der wichtigsten Probleme der Gesellschaft zu stilisieren.
Das stimmt, aber bei Klingbeils Aussage und vor allem dem Zeitpunkt im Jahr 2024 würde ich sagen, dass sie nicht die Empfindungen der Gesellschaft vorgibt, sondern ihr folgt. Das Narrativ eines nicht richtig funktionierenden Asylsystems ist längst da. Und darauf reagiert er.