this post was submitted on 20 Sep 2023
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Deutschland

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Sammelbecken für deutsche Kartoffeln und ihre Geschichten über Deutschland.

Nicht zu verwechseln mit !dach und !chad.

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Ich glaube viele, wenn nicht alle unserer Probleme basieren darauf, dass wir in Deutschland keinen Mut haben.

Man könnte sagen "dass wir keinen Mut mehr haben", aber ich möchte nicht die Nazizeit verherrlichen. Das war kein Mut, sondern blinder Größenwahn, kombiniert mit dem typischen deutschen Zwang, kognitiver Dissonanz und blinder Unmenschlichkeit.

Aber was ist seitdem passiert?

Ich blicke auf Deutschland heute:

  • die Behörden laufen auf Microsoft. Wir zahlen diesen Unternehmen Unmengen Geld für Lizenzen (209mio€ in 2022 alleine durch Behörden!)
  • alle staatlichen Apps sind ausschließlich über Google oder Apple verfügbar.
  • Alle Bahnapps sind nicht legal nach unserem eigenen Datenschutzgesetz. Das ist bewiesen, aber keiner tut etwas.
  • die Bahn ist privatisiert, schlecht und teuer
  • genauso immer mehr Krankenhäuser und andere kritische Infrastruktur
  • obwohl wir alle Möglichkeiten hätten, machen wir uns momentan durch LNG Terminals abhängig von US-Frackinggas, anstatt in Wind und und Solar zu investieren
  • "der Arbeitskräftemangel" existiert nicht in unseren Auto- und Waffenkonzernen. Es werden Arbeitskräfte verheizt für sinnlose, Klimaschädliche "Innovation"
  • unsere Krankenkassen taugen nichts, Zusatzleistungen sind privat zu zahlen
  • die Deutschen haben mWn europaweit die Geringste Eigenheim-Quote
  • Leute sind in Flatrates und Verträgen gefangen, leasen Autos, mieten und pachten und sind am Ende arm

Was haben all diese Beispiele gemeinsam? Es fehlt ihnen an Mut!

Psychologisch gesehen

  • die Menschen streben nach Neuem, Innovation, "Tech Review Videos" etc.
  • die Menschen brauchen Sicherheit, wollen kaum Veränderung, wollen Sicherheit
  • wir wollen Investieren und erfolgreich sein
  • wir haben Angst zu fallen, wollen Sicherheit

Kurz

In Deutschland ist jeder für jeden Scheiß versichert, hat aber kein eigenes Haus. Wir schützen uns vor Risiken und investieren nichts. Kritische Infrastruktur (auch Software) wird ausgelagert, um nicht verantwortlich zu sein.

Es wäre so einfach

Stellen wir uns vor, wir würden das umkehren. Wir würden einmal investieren, und nach einem oder wenigen Jahren komplett unabhängig sein!

Beispiel Software

Wir geben Unsummen an Geld für Microsoft, Adobe etc aus. Unsere Apps sind an Google, Apple und Microsoft gekettet. Windows11 hat keine "trackingfreie Premiumversion" mehr? Egal, es werden trotzdem jede Behörde benutzen. Indirekt zwingen wir Menschen zum Kauf von Smartphones und Laptops, ohne Alternativen darzustellen.

Trauen wir uns etwas, Beispiel Büro:

  • Linux
  • Firefox
  • Libreoffice
  • Nextcloud
  • Thunderbird / Webmail
  • Matrix für Kommunikation
  • BBB, Jitsi
  • Remote software, VNC, RDP...
  • Datenbanken etc...

Smartphone:

  • GrapheneOS
  • eigener Appstore als F-Droid Repository oder Fork der App
  • offene Bankenapps, Bahnapps, Versicherungen etc. durch Bundes-Repository
  • OSMand + DB APIs
  • Simplemobiletools
  • Firefox
  • K9mail
  • Florisboard
  • Assistant?
  • Nextcloud?
  • BundID möglich, alles Amts-Zeug
  • unifiedNLP mit Mozilla Datenbank gegen Abhängigkeit von GPS odee Google/Apple
  • ...

Diese Opensource-Software reicht momentan nicht an Microsoft heran. Sie ist in vielem viel besser, deckt aber nicht alle Anforderungen ab. Es braucht bezahlte Entwicklung.

Aber warum gehen ITler in die "freie Wirtschaft" und entwickeln trackende bezahl-DRM-Software? Weil sie mehr Geld verdienen und nicht mit Faxköpfen zu tun haben.

Unsere Datenschutzgesetze funktionieren nicht und werden nicht eingehalten, stattdessen werden Projekte out-gesourced.

Vorschlag:

  • ein Team aus vllt. 200 Menschen, vor allem EntwicklerInnen und JuristInnen. Gerne auch Menschen anwerben, die bereits dort arbeiten, zB. Opensource Developer oder Datenschutz-JuristInnen
  • es wird eine Liste an kritischer Software gemacht. Der Vorteil: diese ist bereits extrem gut! Es braucht lediglich bezahlte Stellen, die eine fortwährende Entwicklung garantieren können. 80% ist fertig
  • das ganze Projekt wird auf 10 Jahre angelegt und die Menschen werden sehr gut bezahlt, ihre Qualifikationen sollen gut sein, mit Fokus auf Sicherheit, NutzerInnenfreundlichkeit, Effizienz (energiesparen) etc.

Wie schwer wäre es, zB. OpenSuse zu nehmen und mit weiteren Finanzierungen daraus "GermanyOS" zu machen? Überhaupt nicht, denn es existiert ja alles bereits!

Ein Traum wäre natürlich, das alles bis zum Ende zu haben. Hardware mit Coreboot, Risc-V Prozessoren etc. Nachhaltig gefertigt, energiesparend, vertrauenswürdig, frei, reparierbar, modular. Deutsche Qualität eben, wie sie einmal war!

Und so geht das weiter... investieren, dieses ganze verdammte Ehrenamt für kritische Infrastruktur endlich entlohnen, Engagierten eine Stelle anbieten und nach wenigen Jahren hat man sich wirtschaftlich aus den Zwängen befreit!

Beispiel China

China entwickelt ihr eigenes Linux, weil sie unabhängig von den USA sein wollen. Ihr Leidensdruck scheint größer, wirtschaftliche Zwänge etc.

Aber was halten wir von den USA? Finden wir das Land, das Kriegsverbrechen begeht, die Umwelt zerstört, menschenunwürdige Gefängnisse und rassistische Polizei hat, Snowden für Aufdeckung von Horrortaten prinzipiell wahnsinnig gemacht hat und einsperren will, finden wir dieses Land gut? Wollen wir von diesem Land abhängig sein?

Was denkt ihr dazu?

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[–] [email protected] 0 points 1 year ago (28 children)

Was denkt ihr dazu?

Beim "Beispiel Software" - das ist zum Teil mein Fachgebiet - gibt es zweierlei zu beachten:

  1. Ich als Bürger und Steuerzahler möchte, dass mein Geld gut angelegt wird. Klar: Microsoftlizenzen sind teuer.
  2. Ich als Bürger und Steuerzahler möchte aber auch, dass meine Daten vernünftig verwaltet werden. Daran scheitern manche Projekte wie LiMux meiner Meinung nach oft: Die Umstellung auf andere Software ist bei Technikern kein großes Problem, aber im öffentlichen Dienst verbunden mit Schulungen für Leute, die oft wenig Berührungspunkte mit Computern in ihrem Alltag haben. Hinzu kommt: Die Migration von einem Officepaket auf ein anderes funktioniert selten verlustfrei. Die DOCX/XLSX-Formate werden inzwischen von einigen Officepaketen (bemerkenswert gut ist m.E. SoftMaker Office) ganz gut "verstanden", aber gerade bei normierten Dokumenten sind kleinste Abweichungen fatal.

Diese Opensource-Software reicht momentan nicht an Microsoft heran.

Das ist genau das Problem. Microsoft - und auch Apple! - hat das Geld für bezahltes Qualitätsmanagement. Ich formuliere es mal spitz, aber hoffentlich verständlich: würden Open-Source-Entwickler auch nur etwas mehr Ressourcen in "wir machen die Software mal attraktiv und performant" und etwas weniger in "wir haben technisch total coole Lösungen" stecken, wäre Open Source längst eine relevante Größe - ganz ohne Menschen, die aktiv dafür trommeln, wie supigut das alles doch sei. Gute Ideen brauchen keine Werbung.

Ja, man sollte sich "mehr trauen", aber eine fertige Liste (Windows, Office, Azure) durch eine andere fertige Liste (Linux, anderes Office, nextCloud) zu ersetzen ist unterkomplex. Bloß weil man einen Hammer hat, ist nicht jedes Problem ein Nagel. (Ich halte für vieles z.B. OpenBSD für eine bessere Wahl als Linux, käme aber nie auf die Idee, es als in jeder Lebenslage großartigen Ersatz für Windows zu vermarkten.)

Aber was halten wir von den USA? Finden wir das Land, das Kriegsverbrechen begeht, die Umwelt zerstört, menschenunwürdige Gefängnisse und rassistische Polizei hat, Snowden für Aufdeckung von Horrortaten prinzipiell wahnsinnig gemacht hat und einsperren will, finden wir dieses Land gut? Wollen wir von diesem Land abhängig sein?

Nein. Dazu vielleicht folgender Hinweis: Die Linux Foundation sitzt in den USA und die NSA hat große Teile zum Linuxkernel beigetragen - und nicht alles in Linux ist quelloffen.

[–] [email protected] 7 points 1 year ago (7 children)

Als Bürgerin und Steuerzahlerin möchte ich nicht, dass meine sensiblen Daten mit den Tools einer Firma verwaltet werden, die gerade in jüngster Zeit wieder ins Gerede dadurch kam, dass sie weder auf ihre Master Keys (https://www.heise.de/news/Neue-Erkenntnisse-Microsofts-Cloud-Luecken-viel-groesser-als-angenommen-9224640.html) noch auf 38 TB interne Daten von Mitarbeitern (https://www.heise.de/news/Datenleck-Microsofts-KI-Team-stellt-38-Terabyte-ins-Netz-9309303.html) aufpassen kann... Und auch wenn das mit dem Master Key auch anderswo passieren kann, war die Kommunikation hierzu unter aller Kanone. Sicherheit und gar Privatsphäre hat bei MS noch nie eine große Rolle gespielt und der Kunde ist am Ende der Dumme...

[–] [email protected] -2 points 1 year ago (6 children)

Was wäre deine Empfehlung, die beide aufgeworfenen Probleme gleichermaßen löst?

[–] [email protected] 4 points 1 year ago (1 children)

Linux oder ein BSD. Mit LiMux war man jedenfalls in München auf einem guten Weg.

[–] [email protected] -2 points 1 year ago* (last edited 1 year ago) (1 children)

Wie löst man mit "Linux oder einem BSD" folgendes Problem?

Die Migration von einem Officepaket auf ein anderes funktioniert selten verlustfrei. Die DOCX/XLSX-Formate werden inzwischen von einigen Officepaketen (bemerkenswert gut ist m.E. SoftMaker Office) ganz gut “verstanden”, aber gerade bei normierten Dokumenten sind kleinste Abweichungen fatal.

Die Neuerstellung von teils Jahrzehnte alten Dokumenten mit Makros und Formularen ist nicht immer schnell gemacht.

[–] [email protected] 3 points 1 year ago (2 children)

Indem man die Dokumente gleich in Libreoffice speichert. Und wenn man sich für die Neuerstellung von Makros und Uralt-Formularen, die auf Basis von Gesetzesänderungen ohnehin immer mal wieder angepasst werden müssen, Zeit nimmt, hat man am Ende Unsummen an überflüssigen Lizenzgebühren gespart. Ich habe beruflich seit Jahrzehnten mit MS zu tun und auch für sie schon gearbeitet - mein Unmut kommt also nicht von ungefähr...

[–] [email protected] 3 points 1 year ago

Wer Makros in Office-Dokumenten für ein akzeptables Tool hält, der gehört erschossen, oder mindestens gefeuert. Letzteres geht ja bei Beamten nicht. Ein Dokument nachbauen mit Logik und allem Firlefanz, auch wenn es eine Urkunde oder sonst was ist, ist ja, zeitraubend, aber am Ende trivial.

Plus: Wenn da Logik drin ist, wird das ohnehin mit Daten gefüttert, die der Bearbeiter vorher schon irgendwo eingibt, dann muss das einfach als Report aus dem was auch immer das Verwaltungsäquivalent zum ERP-System ist rauskommen.

[–] [email protected] 2 points 1 year ago (1 children)

Ich habe auch pünktlich mit der Veröffentlichung von Office 2007 (und den wirklich schlimmen „Ribbons“) aufgehört, Microsoft Office zu nutzen, habe aber beruflich viel mit Behörden und ihren spezifischen Anforderungen zu tun und gebe dir Brief und Siegel darauf, dass das eine schöne Idee ist, aber mit nicht computeraffinen Beamten (und dem traditionell begrenzten Budget - „einmalig höhere Kosten“ müssen ja in irgendeinem Topf sein und an den glaube ich noch nicht) nicht machbar sein wird.

[–] [email protected] 3 points 1 year ago* (last edited 1 year ago)

Mit dem landesweit verpulverten Budget für Lizenzen wäre da einiges zu machen. Aber die Mehrheit ist halt strunzdumm und interessiert sich nicht für die Sicherheit ihrer Daten. Also kann man mit dem objektiv besseren System, wo das Geld auch in tatsächliche Verbesserungen fließen würde, nicht argumentieren und muss immer bei "aber wir sparen ganz viel Geld" anfangen.

Und dann hast du letztendlich Recht. Wenn es nur darum geht ja nichts auszugeben, dann kriegst du am Ende auch weniger. Ist aber der falsche Ansatz. Es geht darum, dass man bei gleichen Ausgaben mehr bekommen würde. Und zusätzlich nicht abhängig von fragwürdigen Firmen wie Winzigweich wäre.

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