Nur ein Teil wird wieder ausgeschieden, der Rest lagert sich offenbar in Organen ab. Sicher ist vor allem eins: Wir werden immer mehr davon aufnehmen.
Einen Esslöffel kleiner und kleinster Plastikteilchen in die Nase ziehen? Nein? Freiwillig würden das wahrscheinlich nur die wenigsten tun.
Aber unfreiwillig und unwissentlich tun wir genau das: Jede Woche atmen wir kleine Plastikpartikel ein, so viel wie eine Kreditkarte. Das haben Wissenschafter gerade erst herausgefunden. Und das ist nur die Menge, die über die Luft zu uns kommt. Wir nehmen Mikroplastik aber auch über das Trinkwasser und über die Nahrung auf.
Ein Grossteil der aufgenommenen Partikel wird wieder ausgeschieden. Denn nur Teilchen, die kleiner sind als 0,002 Millimeter, können durch die Darmwand hindurch ins Innere des Körpers gelangen. Sie schaffen es bis ins Blut und werden schliesslich in diversen Organen gelagert. So wurden in der Leber oder in Lymphknoten, aber auch in der Plazenta und der Muttermilch Plastikpartikel gefunden. Das Mikroplastik in unseren Körpern, es ist eine Wette auf die Zukunft, und der Ausgang ist völlig offen. Was ist Mikroplastik?
Als Mikroplastik gelten Kunststoffteilchen, die bis zu 5 Millimeter gross sind, als Untergrenze gelten oft 100 Nanometer (nm) – das entspricht dem grössten Partikel, das noch durch eine medizinische Maske passt – oder 1 Mikrometer (μm) – die Grösse eines kleinen Bakteriums. Es gibt auch noch kleinere Teile, die heissen dann Nanoplastik.
Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Arten von Mikroplastik:
Mikroplastik, das gezielt hergestellt und eingesetzt wird. Dazu gehören etwa kleine Kügelchen, die in Kosmetika oder Waschmitteln einen Reibeffekt erzielen sollen, oder auch das Pulver, das einem 3-D-Drucker als Ausgangsmaterial dient. Mikroplastik, das während der Nutzung freigesetzt wird. Dazu gehören der Abrieb von Reifen und Schuhsohlen, das Waschen von Kleidung oder die Verwitterung von Farben und Anstrichen. Mikroplastik, das durch den Zerfall grösserer Gegenstände entsteht. Dazu gehören die in die Landschaft geworfene Plastikflasche oder die Folie vom Schokoriegel, die durch Einwirkung von Sonnenlicht, Feuchtigkeit oder Salzwasser mit der Zeit in immer kleinere Teilchen fragmentiert wird.
Insgesamt entstehen in Deutschland pro Jahr 330 000 Tonnen der ersten beiden Arten, wie das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik schätzt, pro Kopf 4 Kilogramm. Und das meiste davon gelangt in die Umwelt: 3,2 Millionen Tonnen Mikroplastik sollen es laut der Weltnaturschutzunion (IUCN) weltweit sein, etwa 1,5 Millionen Tonnen davon landen im Meer.
Die Quellen, die mitunter die meiste Aufmerksamkeit bekommen, sind nicht unbedingt die wichtigsten – aber sie sind wohl die, die sich am einfachsten eindämmen liessen: Textilien aus Polyester, Nylon oder Elasthan verlieren Fasern. Zum einen tun sie das beim Tragen – auch die Fleecejacke aus rezyklierten PET-Flaschen und die wasserabweisende Trekkinghose hinterlassen in der Natur Spuren in Form kleiner Plastikteile. Zum anderen lösen sich die winzigen Plastikfasern beim Waschen. Spezielle Beutel, in denen die Kleidungsstücke gewaschen werden und die die Fasern auffangen sollen, sind weniger effizient als Filter an der Waschmaschine. Einzelne Hersteller bieten bereits Geräte mit solchen Filtern an; ältere Maschinen lassen sich nachrüsten. Laut der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) filtern auch Kläranlagen einen grossen Teil des Mikroplastiks aus dem Abwasser.
Die grösste Einzelquelle von Mikroplastik sind Autoreifen: Bei der Fahrt werden Gummipartikel abgerieben, jeder Reifen verliert so laut dem deutschen Autoklub ADAC 120 Gramm Material pro 1000 Kilometer. In der Schweiz entstehen jedes Jahr 10 400 Tonnen Reifenabrieb, in Deutschland schwanken die Schätzungen, das Fraunhofer-Institut geht von 150 000 Tonnen aus. Bei den wichtigsten Quellen unterscheiden sich die Schweiz und Deutschland nur in der Grössenordnung.
Wie gelangt Mikroplastik in den Körper?
2019 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen vielbeachteten Bericht zu Mikroplastik im Trinkwasser. Er wurde als Entwarnung gewertet: Die WHO schrieb, die wenigen vorliegenden verlässlichen Informationen gäben keinen Grund zur Besorgnis. Gleichzeitig betonte sie, dass sehr viel mehr Forschung in diesem Bereich nötig sei.
Die im Trinkwasser enthaltene Menge ist zudem nicht überall gleich. Im Kanton Zürich hat das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) das Grund- und Trinkwasser vor einigen Jahren analysiert und kein Mikroplastik gefunden.
Schon länger bekannt ist, dass in vielen Nahrungsmitteln Mikroplastik enthalten ist: in Gemüse, in Salz, in Kuhmilch, in Bier, in Honig, in Flaschenwasser. In Meerestieren wie Fischen und Garnelen sammelt sich das Mikroplastik laut bisherigen Erkenntnissen vor allem in unverzehrbaren Körperteilen.
Auch die Verpackung spielt offenbar eine Rolle. Sogar Wasser in Glasflaschen enthält Mikroplastik, möglicherweise aus dem Deckel. In Plastikflaschen ist der Gehalt deutlich höher. Wer einem Baby Formulamilch im Plastikfläschchen reicht, serviert mehrere hunderttausend Kunststoffteilchen gleich mit, die sich beim Schütteln aus der Flasche lösen.
Und eine Wissenschafterin der Universität Portsmouth in England wies kürzlich nach, dass man mit einer Mahlzeit, die aus unverpackten Lebensmitteln zubereitet wurde, 55 000 Plastikteilchen isst. Sind die einzelnen Bestandteile der Mahlzeit in Plastik verpackt, sind es 230 000 Teilchen. Wenn man ein ganzes Jahr lang jeden Tag eine solche Mahlzeit esse, nehme man 10 Gramm Plastik zu sich – so viel wie zwei Plastiktüten.
Wie gefährlich ist Mikroplastik?
Gemäss allen vorliegenden Erkenntnissen sind die Miniteilchen für kein Lebewesen akut lebensgefährlich. Doch sie können durchaus giftig und sogar tödlich sein. Genauso wie eine Schildkröte verhungert, weil ihr Magen voller Plastiktüten, Stücken von Fischernetzen und Teilen von Plastikflaschen ist, so sterben auch kleine Krebse oder Wasserschnecken, wenn ihr Magen-Darm-Trakt mit Mikroplastik verstopft ist.
Zudem kann Mikroplastik das Wachstum und die Fortpflanzung von Wassertieren beeinträchtigen. Die Teilchen können bei ihnen Entzündungen verursachen oder das Erbgut schädigen. Bei Labormäusen, deren Futter oder Trinkwasser mit kleinsten Styroporkügelchen vermischt war, veränderten sich die Zusammensetzung der Darmbakterien und der Stoffwechsel der Leber.
Nahmen Mäusemütter die Partikel während der Schwangerschaft auf, waren die Nachkommen leichter und hatten einen veränderten Fettstoffwechsel im Vergleich zu anderen Mäusejungen. Ratten wiesen nach einer solchen «Ernährung» Anomalien an den Fortpflanzungsorganen auf. Doch es ist unklar, ob all diese Ergebnisse aus Tierversuchen auf den Menschen übertragbar sind.
Es ist dessen ungeachtet möglich, dass Mikroplastik langfristig auch uns Menschen schadet. Doch derzeit kann man das nicht sagen. Denn Mikroplastik liegt in so vielen unterschiedlichen Formen und chemischen Zusammensetzungen vor, dass es eine wahre Herkulesaufgabe wäre, alle Varianten auszutesten. Derzeit gehen die Wissenschafter davon aus, dass vor allem die Anwesenheit der Miniteilchen im Körper problematisch sein könnte. Chronische Entzündungen in der Lunge
Ein denkbarer Schaden ist, dass Zellen, beladen mit Plastikteilchen, nicht mehr richtig funktionieren. Dies wurde zum Beispiel bei menschlichen Immunzellen beobachtet, die in der Petrischale mit kleinsten Styroporkügelchen «gefüttert» worden waren. Es könnte auch sein, dass Mikroplastik, das sich in Organen ablagert, zu chronischen Entzündungen führt.
Manche Experten halten das Mikroplastik in der Lunge für problematischer als jenes im Verdauungstrakt. Denn vom Darm gelange so wenig Material ins Innere des Körpers, dass dies kaum eine Gefahr darstelle, heisst es. Kleben Miniteilchen an der Darmwand, werden sie innerhalb weniger Tage ebenfalls ausgeschieden, weil sich die Zellschicht der Darmwand alle drei Tage erneuert. Doch so eine effiziente Selbstreinigung gibt es in der Lunge nicht.
Dass kleine Fremdstoffe in der Lunge grossen Schaden anrichten können, das weiss man auch von sogenannt natürlichen Partikeln wie Feinstaub. Dieser kann im Laufe der Jahre lokale Entzündungen und in der Folge Atemwegserkrankungen, Schäden im Herz-Kreislauf-System oder Krebs auslösen.
Derzeit scheine es so, als ob die Auswirkungen von Mikroplastik auf uns Menschen nicht sehr weitgehend seien, schreibt die Arbeitsgruppe um Albert Koelmans von der Universität in Wageningen in einer Übersichtsarbeit. Doch die meisten Experten seien sich einig: Die Frage sei nicht, ob, sondern nur, wann die negativen Effekte spürbar würden.
Ballaststoffe 2.0
ich mach auf Vogel Strauß und steck den Kopf in den Sand. Irgendwie will ich gar nicht mehr wissen, was mich alles umbringen will. Gibt es noch irgendetwas leistbares, das nicht schädlich bis krebserregend ist?
Also im Sand ist bestimmt auch schon Microplastik...